US-Präsident Joe Biden hat die US-Unterstützung der Ukraine mit Waffen gegen Russland auch mit historischen Argumenten verteidigt: "Denn die Geschichte hat uns gezeigt, dass Diktatoren immer wiederkommen, wenn man sich ihnen nicht entgegenstellt, ihr Machthunger werde immer größer. Entweder unterstützen wir das ukrainische Volk bei der Verteidigung seines Landes, oder wir sehen zu, wie Russland seine Gräueltaten und Aggression fortsetzt."
Laut dem aktuellen Demokratieindex, ein von der britischen Zeitschrift The Economist berechneter Index, der den Grad der Demokratie in 167 Ländern misst, leben 45,7 % der Weltbevölkerung in einer Demokratie, 37,1 % hingegen in einer Diktatur. Unter den klar "autoritären Regimen" finden sich Russland ebenso wie China, Kuba und Nordkorea.
Sollten wir zu diesen Ländern Beziehungen unterhalten oder sie verweigern? Dürfen wir mit ihnen keine Geschäfte machen, weil wir es demokratiepolitisch besser haben und daher auch besser zu wissen glauben? In einer globalisierten Welt können wir anderen Staaten nicht die unserer Überzeugung nach richtigen Regeln aufzwingen. Da wir aber von unserem Weg einer offenen, freien, demokratischen Gesellschaft überzeugt sind, müssen wir dafür werben und offen die bestehenden Probleme ansprechen, um damit einen Beitrag zur Verbesserung der internationalen Beziehungen zu leisten.
Mit Vorträgen und einer abschließenden Podiumsdiskussion stellten sich die Helmstedter Universitätstage vom 21. bis 24. September 2023 der Frage „Mit Diktatoren reden?“. Ein Spannungsfeld, das die 29. Helmstedter Universitätstage näher und aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten. „Ein Ausloten zwischen Prinzipientreue und Pragmatismus“, bezeichnete es der Beiratsvorsitzende der Helmstedter Universitätstage Tobias Henkel. Der Krieg in der Ukraine hat dem Thema eine zusätzliche Bedeutung und Aktualität gegeben.
Nach der Begrüßung durch den Helmstedter Bürgermeister Wittich Schobert und den Beiratsvorsitzenden Tobias Henkel führte der wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. Martin Sabrow in die Thematik ein. Dieser leitete die Helmstedter Universitätstage in diesem Jahr bereits zum 25. Mal. Das Jubiläum würdigte Wittich Schobert mit den Worten „Dem herausragenden Engagement von Professor Sabrow ist es zu verdanken, dass die Helmstedter Universitätstage weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt und zu einem im Fachkreisen hoch angesehenen Diskussionsforum geworden sind“.
Der ehemalige Bundesminister Dr. Gerhart Baum sprach in seiner Eröffnungsrede - auch "Helmstedt Lecture" genannt - über „Außenpolitik in der Spannung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik“. Die Braunschweiger Zeitung schrieb darüber in ihrem Artikel vom 25.09.2023 „Der Gastredner Dr. Gerhart Baum, Bundesminister a.D., hat mich schwer beeindruckt und auch begeistert. […] Dieser Mann hat sein Lebensthema gefunden, er sprüht vor Energie, ja und auch Kampfeswillen, wenn er vom Grundgesetz spricht, von Demokratie und Freiheit, die es allesamt zu verteidigen gilt“.
Das Diskussionsforum spannte den Bogen dann von den Olympischen Spielen 1936 bis zur Fußball-WM in Argentinien, befasste sich mit dem Unternehmensengagement von VW in Brasilien und beleuchtete die Rolle westlicher Intellektueller, die Stalins Gäste waren. Hochkarätige Referentinnen wie Referenten erörterten dabei die Frage, wie mit Diktatoren zu reden ist.
Die Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa warf während einer Lesung am Samstagabend einen persönlichen Blick auf das Leben in Diktaturen, auf Krieg und Verfolgung. Sie berichtete über die Geschichte ihrer Familie und las hierzu aus ihrem Buch „Die Hände meines Vaters“. Auch die aktuelle Lage in der Ukraine und Russland sprach sie als Mitbegründerin der inzwischen verbotenen russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" an.
Umrahmt wurde die Veranstaltung mit einer Kinosondervorstellung „Till Eulenspiegel“ mit dem Regisseur Rainer Simon sowie einer Führung zur Helmstedter Universitätsgeschichte mit Martin Wandersleb. Festlich endeten die Helmstedter Universitätstage mit dem Gottesdienst in der St. Stephani Kirche und einer Festpredigt von Frau Sabine Dreßler, Oberkirchenrätin, Referentin für Menschenrechte, Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
„Wir wollen mit den Helmstedter Universitätstagen an der Zukunft arbeiten. Der Blick in die Zeitgeschichte öffnet den Blick in die Zukunft. Die Helmstedter Universitätstage sind eine Veranstaltung mit Renommee und Strahlkraft“, erklärte Henkel.
Die Helmstedter Universitätstage 2023 waren durchgängig sehr gut besucht. Das Publikum war einerseits traditionell, andererseits kamen auch viele bisher unbekannte Gäste von außerhalb nach Helmstedt. Bis zu 250 Personen besuchten die einzelnen Vorträge. Insgesamt nahmen rund 350 Intererssierte und Freunde der Helmstedter Universitätstage an der Veranstaltung teil.
Die Vorträge bei den Helmstedter Universitätstagen werden seit 1998 in den von Herrn Prof. Dr. Sabrow herausgegebenen Helmstedter Colloquien veröffentlicht. Diese bei der Akademischen Verlagsanstalt verlegte Schriftenreihe kann über den Buchhandel oder im Rathaus der Stadt Helmstedt bezogen werden. Mittlerweile haben die Helmstedter Colloquien sowohl bei interessierter Öffentlichkeit als auch bei Zeithistorikern ihren Platz gefunden und werden bei Fachveröffentlichungen zitiert.
Für die Bestellung gelten die datenschutzrechtlichen und sonstigen Bestimmungen der Stadt Helmstedt.